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Karin Maiwald / Beate Salomon

S o p i l o

110 Seiten, Hardcover
Titel-Illustration: Ursula Kraft / Andreas Drexler
11,70 EUR
ISBN 978-3-936156-20-1
ab 8 Jahren


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Hanna ist außer sich. Ihre Eltern haben sich getrennt und sie muss mit ihrer Mutter in ein kleines Dorf ziehen. Alles Vertraute ist weit weg. Vor allem ihre beste Freundin Sophie. Von ihrem Vater fühlt sie sich im Stich gelassen...
Jetzt wohnt Hanna im selben Haus wie ihre jüngere Cousine Lea - und die nervt!
Zum Glück lernt sie ihren Onkel Jo kennen. Er vertraut ihr eine seltsame Geschichte an: von Bruno, dessen Freundin Ella und von Sopilo, einem kleinen, lindgrünen Wesen mit ungeheurem Appetit und eigenartigen Essgewohnheiten. Hanna wird immer neugieriger. Allmählich kommt sie einem Geheimnis auf die Spur. Und obwohl sie Onkel Jo versprochen hat, keinem Menschen etwas von dieser Geschichte zu erzählen, kommt es doch ganz anders...

„...Ein wertvolles Kinderbuch... als Klassenlektüre
ab der 4. Jahrgangsstufe zu empfehlen...”
- Jugendschriftenausschuss (BLLV)

„Den Autorinnen gelingt es vorzüglich... die Spannung der Geschichte allmählich zu steigern...
Sehr empfehlenswert.”
- AJuM (GEW)


Leseprobe aus dem Buch "S o p i l o"

„Hey Hanna! Wollen wir Ball spielen?“
Lea steht im Türrahmen. Sie wirft mit beiden Händen einen Ball hoch und fängt ihn wieder auf. Ich habe ihr Kommen nicht gehört und die Aktion mit dem Ball nervt. Lea schiebt ihre pinke Schirmmütze nach hinten und kratzt sich an der Stirn.
„Na, hier sieht‘s ja lustig aus... Komm doch mit runter in den Garten. Nachher gibt es auch noch Kuchen.“
Ich wende mich von ihr ab, drehe mich auf die Seite und starre die Wand an. Lea kann nichts dafür und ein bisschen tut sie mir leid, wie sie da im Türrahmen steht und nicht weiß, ob sie hereinkommen darf oder gehen soll.
Eigentlich kann ich Lea ganz gut leiden. Letztes Jahr in den Sommerferien war ich bei ihr zu Besuch. Wir hatten im Garten ein Zelt aufgebaut, in dem wir sogar übernachtet haben. Vor dem Einschlafen haben wir uns Gruselgeschichten erzählt – solche, die Gänsehaut machen. Aber jetzt will ich niemanden sehen und mit niemandem sprechen, auch nicht mit Lea. Also starre ich weiter schweigend die Wand an.
„Na, dann eben nicht! Du weißt ja, wo du mich findest, falls du es dir anders überlegst!“
Ich höre Lea die Treppe hinunterhopsen. Ja, wenn Sophie mich aufgefordert hätte, wäre ich sofort aufgesprungen! Lea ist bloß meine Cousine, aber Sophie ist meine beste Freundin. Sie hat gleich im Haus nebenan gewohnt. Jetzt ist sie mehrere hundert Kilometer weit weg.
Ich schließe die Augen und sehe den Fluss vor mir, der direkt an dem Haus vorbeifließt, in dem wir vorher gewohnt haben. Vom Balkon aus konnten wir die Schwäne beobachten. Sophie und ich hatten den Schwänen Namen gegeben. Den mit der schwarzen Schwanzfeder haben wir zum Beispiel „Taucher“ genannt, weil er nach einem Rundflug über den Fluss beim Landen ganz lange mit dem Kopf untergetaucht ist. Ob die Schwäne mich vermissen? Ob Sophie mich schon vermisst? Ich wünschte, sie wär hier – hier bei mir...

„Hanna, warum kommst du nicht nach unten? Ein bisschen Ablenkung würde dir bestimmt gut tun.“
Meine Mutter setzt sich zu mir aufs Bett und streichelt mir über den Kopf. Ich sehe sie nicht an, sondern drehe ihr –
genau wie Lea – den Rücken zu.
„Ach Hanna“, seufzt sie, „du wirst sehen, in ein paar Tagen gefällt es dir hier richtig gut.“
Ich will nicht heulen, aber ich kann die Tränen nicht länger zurückhalten. Ich fange an heftig zu schluchzen und dann bricht es aus mir heraus:
„Es tut so weh, Mama! Es tut so weh, dass ich so weit weg von Sophie bin! Und es tut so weh, dass Papa von uns weggegangen ist!“
Meine Mutter streicht mir über den Rücken.
„Oh, Hanna“, sagt sie leise, „du tust mir so furchtbar leid... Aber glaub mir, es war die richtige Entscheidung, hierher zu ziehen.“
„Nein, es war die falsche Entscheidung!“, widerspreche ich ihr.
Sie nimmt mich an der Schulter und dreht mich zu sich um.
„Ich hab‘s dir doch erklärt, Hanna. Wir hätten so oder so aus der alten Wohnung ausziehen müssen, wegen der hohen Miete. Ich hab hier eine Arbeit gefunden und Miriam ist zu Hause, wenn du aus der Schule kommst. Du kannst es im Moment nicht ganz verstehen, aber vielleicht können wir ja in ein paar Tagen nochmal darüber sprechen.“
Ich wälze mich zurück auf die Seite und drehe mich wieder zur Wand. Nein, ich verstehe es wirklich nicht! Wir hätten doch einfach in eine kleinere Wohnung in unserer Stadt umziehen können.

„Ich will keine Geschenke mehr zum Geburtstag und auch nicht zu Weihnachten. Außerdem verzichten wir auf den Urlaub, dann können wir viel Geld sparen“, hatte ich Mama damals vorgeschlagen, als sie das erste Mal von Umzug sprach.
Doch das hatte alles nichts genutzt. Heute Morgen hat Klaus mit einem großen Lieferwagen all unsere Möbel abgeholt. Klaus ist der jüngere Bruder von meiner Mutter. Miriam ist seine Frau und Lea ihre gemeinsame Tochter. Hier bei ihnen soll ab jetzt mein neues Zuhause sein. Und ich soll mich auch noch darüber freuen, dass es die richtige Entscheidung war. Vielleicht die richtige Entscheidung für meine Mutter, aber sicher nicht für mich!
Meine Mutter hält mir ein Taschentuch hin. Ich nehme es nicht, sondern wische mir die Tränen mit dem Handrücken ab.
„Okay, ich lass dich allein, Hanna. Vielleicht kommst du ja später in den Garten.“
Ich höre das Klappern ihrer Holzclogs auf dem Parkett. Und ich höre, wie sie schnieft... Sie ist auch traurig, aber warum tut sie dann so, als ob alles in Ordnung sei?

Ich nehme den Karton mit der Aufschrift „Hannas Bücher / Schulsachen / Fotos“ und finde schnell den Bilderrahmen mit dem Foto von Sophie und mir. Sie hat ihren Arm um meine Schultern gelegt und streckt die Zunge raus. Ich weiß noch genau, wie uns Papa fotografiert hat. Er hat gelacht und gesagt:
„So, ihr zwei, und jetzt zeigt mal bitte euer schönstes Prinzessinnenlächeln.“
Daraufhin hat Sophie ihre Zunge rausgestreckt.
Ich stelle das Foto auf den Schreibtisch. Versteckt hinter der Gardine, sodass man mich von unten nicht sehen kann, schaue ich aus dem Fenster. Der Garten ist größer, als ich ihn in Erinnerung hatte. Im hinteren Teil gibt es ein paar Obstbäume auf einer Wiese. Nah am Haus stehen auf einem ordentlich gemähten Rasen Gartenmöbel aus Holz. Meine Mutter, Klaus, Miriam und Lea sitzen dort und stopfen Schokoladenkuchen in sich rein. Miriam klatscht ein großer Klecks Schlagsahne auf den Rock und Lea kippt vor Lachen beinahe vom Stuhl.

Ich schiebe die Gardine mit dem Zeigefinger ein winziges Stück nach oben, um besser sehen zu können. Ein Mann mit langen Haaren, die zu einem Pferdeschwanz gebunden sind, betritt den Garten. Das muss mein Onkel Josef sein, der ältere Bruder meiner Mutter.
„Hallo, Jo!“, ruft Lea prompt.
Jo... was für ein blöder Spitzname. Ich sehe ihn zum ersten Mal, weil er die letzten zwölf Jahre in Brasilien gelebt hat. Meine Mutter hat mir erzählt, dass er ebenfalls wieder hierher gekommen ist, in das Dorf, in dem sie aufgewachsen sind. Er ist vor einer Woche in sein altes Haus am Ende der Straße eingezogen. Lea kennt ihn natürlich schon, hüpft auf seinen Rücken und quietscht wie ein Baby. Dieser Jo galoppiert wie ein Pferd quer durch den Garten. Er wirft Lea ab und verpasst meiner Mutter einen Kuss auf die Stirn. Sie steht auf und fällt ihm um den Hals. Sie strahlt über das ganze Gesicht. So glücklich habe ich sie lange nicht gesehen.
Jo löst sich aus ihrer Umarmung und nimmt sich ein Stück Schokoladenkuchen. Bevor er hineinbeißt, schaut er zu mir herauf und zwinkert mit dem linken Auge – zweimal.
Ich ducke mich und stoße mir den Kopf an der Fensterbank. Autsch! Der kann mich unmöglich gesehen haben! Und was sollte dieses Gezwinkere? Ich schließe das Fenster, ohne darauf zu achten, wer mich sieht und lege mich wieder aufs Bett...


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